Was Oma & Mama schon wussten...
von Doris Durstin
Selbst mein großes Vorbild Sina Trinkwalder hat neulich geschrieben, sie möchte nun weg von ihrer früheren (eigentlich schon mega tollen) Idee alles bio, fair und hochwertig produzieren zu lassen, sondern hin zu "erstmal nehmen, was da ist" und ich glaube, besser kann man meine Grundsatz-Einstellung zu diesem Thema auch nicht beschreiben.
Wo es bei mir herkommt? Natürlich von Zuhause.
Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich als Kind des Öfteren verzweifelt bin, wenn ich etwas für die Schule gebraucht hab und meine Mutter - anstatt es einfach zu kaufen (was mir damals viel viel einfacher und praktischer erschien) - es auch irgendwelchen Sachen zusammengebastelt/-genäht/geschustert hat, die wir noch zuhause hatten.
Meine Oma (Jahrgang 1922) war (als begabte Näherin) schon eine große "Flickerin" - meine Mutter hat es mit handwerk- und -arbeitlichem Geschick aber nochmals perfektioniert.
Und was mir damals für einige kurze Zeit nervig (und oft auch unpraktisch) erschien, macht - wie so oft wenn man älter wird - nach ein paar Jahren einfach irgendwann Sinn.
Dass manche Sachen überhaupt noch auf den Markt geworfen werden, obwohl Unmassen davon bereits da sind (man teilweise gar nicht weiß wohin damit) - das hat sich mir wohl noch nie ganz erschlossen...
Vielleicht bin ich da aber altersbedingt auch schon einfach ein bisschen zu sehr aus diesem Konsum & Modetrend-Zeugs ausgestiegen. Und da ich (ingenieursmäßig) leider bei Plastik & Co wenig verändern kann, hat sich mein Weg Richtung Kleidung & Stoffe entwickelt.
Secondhand klang für mich aber früher auch immer etwas nach angestaubter Mottenkiste (bzw. nach alten Klamotten von der großen Schwester anziehen, die meistens nie ganz passten oder so gar nicht mein "Stil" waren).
All das hat sich dann vor allem 2017 geändert, als ich das erste Mal in London war und gesehen hab, wie cool und entspannt hier die Menschen in "Vintage"-Klamotten rumlaufen und damit viel "einzigartiger" und vor allem "nachhaltiger" ihren Stil finden können als Menschen, die jedem neuen Trend hinterherrennen und dauernd neue Sachen kaufen.
In Augsburg gab es damals nur ein paar wenige Secondhand-Klamotten-Möglichkeiten - was sich langsam aber stetig ändert - aber selbst in den älteren Läden stellt man beim Einkaufen fest, dass es fast nichts Cooleres gibt, als in Secondhand-Läden zu stöbern, wenn man nur endlich mal über den (nur im Kopf vorhandenen) Schatten gesprungen ist. Und Warum?
Weil Secondhand-Mode eigentlich nur Vorteile hat, und zwar für alle Beteiligten*):
- die Läden (oft von sozialen Trägern) verdienen etwas damit,
- ich hab coole, oft einzigarte Klamotten, die mir stehen und in denen ich mich wohlfühle (zusätzlich sind diese auch oft bereits mehrmals vorgewaschen - bei Babykleidung mittlerweile ein Premium-Merkmal, also warum nicht auch für uns - Stichwort "Schadstoff-Belastung" und
- das alles zu einem meist viel günstigeren Preis als Neuware (ganz ohne groß beworbene Rabattaktionen, die meist eh nur den Massenproduzenten helfen, Platz für neue Ware zu schaffen) und schlussendlich (oder mittlerweile der wahrscheinlich wichtigste Aspekt):
- die Umwelt freut sich, weil weniger (bis gar keinen neuen) Ressourcenverbrauch.
Bei meinem 2018 gegründeten Secondhand-Konzept "22nd dresses" war daher dann ebenfalls die spannende Frage: Wie viel geht da ohne Neukauf? Und ich musste feststellen: Verdammt viel :)
Neben meinen Kleidern & Dirndln habe ich für fast alles andere eine secondhand oder wieder verwendbare Lösung gefunden. Von den Kleiderbügeln über alle Nähmaterialien (inclusive zwei über 40 Jahre alte Nähmaschinen) oder meinen selbstgemachten Preisschildern, die ich (dank Beschriftung mit Holzstiften) immer wieder beschriften kann. Für mich war es eine Challenge an mich selbst, denn wo einen der Ehrgeiz packt, da denkt man oft noch gerne ein wenig intensiver :D
Meine neueste Idee "bedder baskets" - Upcycling-Körbchen & Taschen war
dann Stufe 2 des Prozesses:
Was kann man mit den Sachen machen, die so als Kleidungsstück (bzw. Bettwäsche) nicht mehr zu gebrauchen sind? Sozusagen optimierte "Reste-Ressourcen-Verwendung" ;)
Die Idee dazu ist nicht neu. Bei meiner Oma (oder den früheren Generationen) ging es ja teilweise gar nicht anders als mit extremer Ressourcen-Optimierung, irgendwo auf dem Weg danach, wurde es aber dann "angesagter" von diesem Weg abzukommen... Erklärungen dafür habe ich mittlerweile viel gelesen... schlussendlich geht es (wie bei fast allen Problemen auf der Welt) wohl irgendwie immer schlicht um "Geld, Macht und/oder Ansehen"... Ob es diejenigen dann wirklich so toll & groß macht? Wer's braucht. Die Idee hin zu weniger, langsamer, nachhaltiger, kommt auf jeden Fall zumindest in einigen Teilen der Bevölkerung (und Welt) nun endlich wieder ein bisschen mehr "in Mode".
Aktuell kann man dazu übrigens auch viel in Richtung "Minimalismus" lesen. Auch da übertreiben es Menschen (wie bei allem) leider immer wieder, aber schlussendlich kann jeder noch so kleine Ansatz helfen - gemäß dem Lieblings-Zitat vom großen Vorbild:
"Das Gute üben, nicht in Perfektion scheitern".
Daher einfach mal vorm nächsten Einkauf kurz überlegen, ob es vielleicht auch eine andere Lösung gibt. Das hilft schon. Und wird eigentlich jedes Mal leichter (und auch gerne mal spannend ;)
Dazu (und als kleine Denk-Stütze) abschließend noch eine meiner Lieblings-Grafiken dazu - die sogenannte Nachhaltigkeits-Pyramide:
Die Welt sagt auf jeden Fall jedes Mal ein kleines, liebes "Danke" <3
Und ich jetzt erst mal auch. Für's heutige Lesen. Und für's zukünftige Versuchen :)
Gemeinsam die Welt ein kleines bisschen besser machen, das ist doch ein schönes Ziel.
Und zumindest den Versuch ist es wert!
*) übrigens ähnlich wie vegan essen, aber dazu vielleicht ein ander mal :)
Kommentar schreiben
Marcus (Dienstag, 10 Mai 2022 22:52)
Toller Beitrag. Tolle Pyramide! In der Tat produziert die Textilindustrie viel für den Müll. Das liegt an den schlechten Systemen. Man weiß bei Herstellung der Kollektion nicht, wer in welchen Größen wieviel kaufen wird. Es wird also auf Schätzung produziert. Andererseits zunehmender Internethandel: Es wird viel zurückgeschickt. - Ergebnis dieser Entwicklungen: Es ist teilweise sogar billiger, die Rückläufer und nicht abgesetzte Ware (die viele Ressourcen gekostet hat), zu vernichten als sie sogar an Entwicklungsländer zu spenden. - Ich hatte beispielsweise noch ein handgeschneidertes Qualitätssakko meines Vaters übernommen, das wir beide in Summe 30 Jahre tragen konnten.
Rose (Sonntag, 22 Mai 2022 18:36)
Inspirierender Beitrag. Ich habe gerade überlegt, gebrauchte Kinderbettwäsche für meine Geschichtensäckchen zu verwenden. Oder wie wäre es, daraus Stofftaschen zu nähen, um samstags auf dem Markt für meine Einkäufe zu verwenden.