Zahlen bitte! – gemäß §133 BGB
von Marcus H.V. Lohr
Die richtige Bemessung des Trinkgeldes
Es gibt eine Gesetzesvorschrift im BGB (Bürgerlichen Gesetzbuch), gegen die fast ständig verstoßen wird. §133 BGB: Auslegung einer Willenserklärung
„Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.“
Ich vertrieb mir zuletzt die Zeit an der Tesla-Ladestation mit einem kleinen Imbiss und meinem Notizbuch. Als ich gehen wollte, bat ich um die Rechnung.
Es genügte eine Geste, die aussah als würde ich etwas auf eine imaginäre Tafel schreiben.
Die Bedienung verstand direkt, dass die Rechnung gemeint war. Sie legte mir die Rechnung in Höhe von 9,50 € hin. Ich legte 51 € hin. Sie sagte „Danke“. Und gab mir 2x20 Euro zurück. „Einen schönen Abend noch“.
Was ist passiert?
Eine Mischung aus 1.-Klasse Mathematik, Benimmregeln über die korrekte Bemessung des Trinkgeldes, Kontextualisierung der Kommunikation auf die Situation und konkludente Willenserklärungen, also die Geste und die 51 €, die nur aus dem Zusammenhang, dem Kontext heraus funktionieren können.
Ohne Empathie der beiden Kommunikationspartner unmöglich.
Kennen Sie auch Kommunikationen mit Menschen, die Dinge gerne bewusst missverstehen? - Das ist wie up-cycling: den Berg hochfahren mit Gegenwind! - Erfahrungen gerne in die Kommentare.
Denn man hätte, insbesondere die Geste missverstehen können, zum Beispiel, ob ich gerne einen Kugelschreiber für mein Notizbuch hätte. Oder die 51 € als übertriebenes Trinkgeld. Das wäre aber unverhältnismäßig gewesen. ... und die Enttäuschung groß :-)
Über die Rechnungshöhe unterhalten wir uns gesondert, wenn wir demnächst die Inflation betrachten. Ich erinnere mich noch, dass es als ich Kind in den 1970ern war, etwas Besonderes war, ab und zu sonntags mit einer 4-köpfigen Familie essen zu gehen. Mein Vater hielt es immer für angeberisch mit einem 100-DM-Schein zu bezahlen. … wie sich die Zeiten ändern. Demnächst sind die Beträge noch höher und Bargeld wird es immer weniger brauchen. – Dann allerdings verpufft auch der bewusst „gebende“ Effekt des Trinkgeldes physikalisch und möglicherweise menschlich.
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