Wie kommen wir zu Lösungen? - Durch Erkennen der Ursachen der Probleme! ... Die Barry-Schwartz-Matrix und warum die Kirche 500 Jahre brauchte, um Galilei anzuerkennen.
von Marcus H.V. Lohr
Lesezeit: 6 Minuten (1.200 Wörter)
Wer das hier nicht liest, wird sich in den Allerwertesten beißen, wenn er es (zu spät) erfährt.
Dieser Blog möchte gerne ein wachsendes Bewusstsein schaffen. Für Lösungen der Probleme, die keine sein müssten, wenn wir unseren Verstand gebrauchten! - Ein wichtiger Bestandteil unseres Ansatzes sind kluge Fragen, denn: „In einer klugen Frage liegt die halbe Antwort“.
In der Folge 3 erkannten wir, dass der Mensch sich gerne über die Natur erhebt und gerne Erfolgsgeschichten hört.
Wenn man das jetzt etwas ordnet und darstellt nach Gesetzen, die von Menschen gemacht sind und Naturgesetzen einerseits und sich dann fragt inwieweit wir uns dann an diese Gesetze halten, sie achten, uns verhalten, dann gibt das eine sogenannte Matrix, die das übersichtlich darstellen kann.
Matrizen sind übrigens ein wichtiges Werkzeug, komplexe Sachverhalte zu strukturieren. Wir planen, Workshops zu solcher Arbeitsmethodik anzubieten, wenn Interesse dazu besteht. Wen das interessiert, bitte gerne einen Kommentar hinterlassen.
Ich schrieb in Folge 3, dass ich diese Matrix dem amerikanischen Psychologen Barry Schwartz widmen, der mich auf die Idee dafür gebracht.
Es gibt also 4 Kombinationsmöglichen, hier zuerst im Überblick und dann etwas tiefer beleuchtet:
- Mensch gemachte Gesetze, an die wir uns halten.
- Naturgesetze, die wir beachten und danach handeln.
- Naturgesetze, die wir ignorieren.
- Mensch gemachte Gesetze, die wir nicht beachten.
Welche Ergebnisse liefert diese systematische Betrachtung?
Wir gehen das im Folgenden im Uhrzeigersinn durch. Das ist für alle, die nur noch Digitaluhren haben, von oben links (1) nach oben rechts (2) nach unten rechts (3) nach unten links (4) 😊.
(1) Mensch gemachte Gesetze, an die wir uns halten.
Selbst wenn wir Mensch gemachte Gesetze und nicht funktionierende Systeme erkennen wollen, dauert es aller Erfahrung nach etwa 2 Generationen, bis sich diese Erkenntnisse durchsetzen und im praktischen Leben ankommen. – Ohne Wertung und rein beobachtend, die Erkenntnis suchend: Die katholische Kirche als eine der ältesten und mächtigsten Organisationen der Welt hat dies in der Lebenserfahrung zusammengefasst: „Es braucht 50 Jahre [=2 Generationen], bis ein Konzilsbeschluss in der Fläche ankommt.“ – Diese Erfahrung ist nach meiner Lebenserfahrung und Beobachtung auch auf andere Bereiche übertragbar. Etwa Wissenschaft oder Bildung. – Hier gibt es sogar eine gewisse Kaskade.
Diesem wichtigen Zusammenhang widmen wir demnächst eigene Blogbeiträge – Wissenschaft und Bildung: Opfer unserer Systeme. – und: Bildung: Warum werfen wir die Jugend weg?
Zuerst braucht es etwa 2 Generationen, bis eine revolutionäre neue Kenntnis in der Wissenschaft „durch“ ist. Revolutionär bedeutet vom Wortsinn „um-werfend“, also das bisherige umdrehend, in Frage stellend, in die Tonne tretend. Nach der Wissenschaft weitere 1 bis 2 Generationen, bis es in der Bildung durch ist. … und das ist leider nur unwesentlich übertrieben. … manchmal dauert es sogar 500 Jahre, bis eine „Autorität“ wie die Kirche zugibt, dass die Erde sich um die Sonne dreht und nicht umgekehrt.
Von Karl Benzinger - 1873 book on Pope Pius IX, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5406467
Einige werden es bemerkt haben: Das ist ausdrücklich keine Werbung für die katholische Kirche. Denn sie benötigte 400 Jahre, um einem der Gründungsväter der modernen Naturwissenschaft, Galileo Galilei, den notwendigen Respekt und Empathie entgegenzubringen. 😊 Ich habe das Beispiel herausgesucht, weil es der Erkenntnis egal ist, wo sie herkommt.
(2) Naturgesetze, die wir beachten und danach handeln.
Die Aufklärung, die Licht ins Dunkel des Mittelalters bringen wollte, hatte das Leitmotiv: „sapere aude“. Wage zu wissen!
Wie? Indem man genau hinschaut! Seinen Verstand gebraucht! Die Idee dahinter ist, dass man nachher schlauer ist als vorher. Das nennt man Erkenntnisgewinn.
Dieses Vorgehen hat mindestens 2 große Probleme.
Erstens: Der Erkenntnisgewinn hört nie auf. Das bedeutet, Wissen und Erkenntnis sind immer nur ein Foto in einem endlosen Prozess. Damit können viele immer noch nicht umgehen, obwohl wir sonst nach dem Motto leben: immer höher, schneller, weiter.
Zweitens: Wissen und Können sind in 2 Richtungen anwendbar, nämlich positiv und negativ. Ach ja, und da kommt dann noch ein drittes Problem. Gut, dass wir darüber geredet haben: Was gut ist und was schlecht, bestimmen wir Menschen ja selbst.
… Aber … halt! … „Mist“, das ist ja noch die linke Seite dieser Matrix.
Foto: Marcus H.V. Lohr
(3) Naturgesetze, die wir ignorieren.
Eine Zwischenerkenntnis liefert die Beobachtung derer, die keine Erkenntnis suchen oder finden (wollen). Denn NATUR-Gesetze gelten immer. Auch für die, die sie nicht wahrhaben wollen. Auch für die, die sich nicht mit ihnen beschäftigen wollen. Auch für die, die sie nicht verstehen. – Oder kennst du jemanden, auf den die Schwerkraft nicht wirkt? Oder fließt bei euch das Wasser nach oben? – Jedenfalls, auch in der Natur ist das alles erst einmal WERT…NEUTRAL. Es IST eben, wie es ist. … und meistens findet die Natur ein Gleichgewicht. Meistens ist das stabil. Die Planeten kreisen stabil – zumindest vorhersehbar für ein paar Milliärdchen von Jahren um die Sonne, die Erde kann ebenfalls damit rechnen, dass der Mond das Gleiche tut, die biologische Evolution bringt grundsätzlich Gleichgewichte hervor. Manchmal gibt es Zyklen. Ausgestorben wird in der Regel nicht, weil Räuber so erfolgreich sind, dass sie ihre Beute ausrotten. Da hat die Natur herausgefunden, dass das nicht klug ist. Denn ohne ihre Beute sterben die Räuber selbst aus. Also sieht die Natur ein Gleichgewicht vor. – „Ausgestorben“ wird in der Regel infolge unvorhergesehener kurzfristiger Ereignisse, auf die sich die Natur nicht ausreichend vorbereiten konnte.
… und hier kommt wieder der Mensch ins Spiel. Die Natur, wenn sie sich überlassen wird, „berappelt“ sich in der Regel wieder. Sie hat dabei keinen Zeitdruck. Nach dem Meteoriteneinschlag vor 60 Millionen Jahren, starben nicht nur die Dinosaurier aus. Die Natur fand zu einem neuen Gleichgewicht. … aber diese langen Zeithorizonte akzeptieren wir Menschen nicht. …
Von Georg Wiora (Dr. Schorsch) - self made drawing, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=860057
(4) Mensch gemachte Gesetze, die wir nicht beachten.
… insbesondere nicht die Menschen, die nicht erkennen wollen, dass die Menschen gemachten Systeme ihnen selbst sprichwörtlich „das Wasser abgraben und die Luft abschnüren“. Das sind im Wesentlichen die Menschen, die davon profitieren.
Für viele andere ist das zu hart geurteilt! Denn viele können nicht anders, sie sind aufgrund ihrer abhängigen Situation in einer Falle gefangen. Da ist es leicht zu sagen: „Du bist deines eigenen Glückes Schmied. Du musst es nur wollen.“
Allerdings ergibt sich eine wichtige Erkenntnis aus dieser Matrix, und aus reiner Beobachtung der Jahrtausende währenden beobachteten Lebenswirklichkeit:
„homo homini lupus“! – Der Mensch ist des Menschen Wolf. *)
Bild: Footprint eines Wolfs. In der Fachsprache: „Trittsiegel“.
https://de.wikipedia.org/wiki/Wolf#/media/Datei:Canis_lupus_tracks.jpg
Die Smarten, die „begriffen“ haben und die gleichzeitig aufgrund der rechten Spalte der Matrix verstanden haben, dass man Erkenntnis auch gegen die Natur und gegen die Menschen verwenden kann, … und das dies einfacher ist als etwas KONSTRUKTIVES mit diesem Wissen zum Wohle aller anzufangen, haben einen klaren Vorteil gegenüber allen anderen. Sogar gegenüber denen, die verstehen wollen und verstanden haben.
Aber das ist eine andere Matrix, die ich Dittrich Bonhoeffer gewidmet habe! … deren Ergebnis es tatsächlich ist, dass die Schwachen und die Dummen tatsächlich Opfer werden derer, die die Systeme steuern.
Zwischenergebnis: Systemversagen!
Ja, unsere eigenen schlecht konstruierten Systeme sind der Wurzelgrund vieler Übel. Das kann aber keine Generalentschuldigung sein, wie etwa jedes Fehlverhalten bei anderen oder „den Umständen“ suchen zu wollen. Umso mehr braucht es klare Analysen, warum die Systeme so schlecht konstruiert sind und wo man ansetzen könnte sie zu verändern.
Und es braucht Willen, Kompetenz und Fingerspitzengefühl in der Kommunikation!
*) Der Mensch ist des Menschen Wolf. Möglicherweise wird gerade deshalb der „Stellvertreterkrieg“ gegen die Natur der zurückkehrenden Wölfe geführt.
In der nächsten Folge …
- Unsere falschen Vorannahmen.
- Warum wir uns im Kreis drehen.
- Wie wir das unterbrechen können.
Kommentar schreiben